«Das Schiff schwankt, geht aber nicht unter»– ein Supervisionsmodell für Teams im psychosozialen Bereich (Teil III)

22.01.2019

Damit wäre auch die vierte und letzte Dimension eingeführt, welche das Verhältnis zwischen Feld und Gruppe erforscht. Psychosoziale Teams handeln in einem bestimmten Kompetenzfeld und doch gleichzeitig als Gruppe. Das Kompetenzfeld wird von den konkreten Arbeitsumständen bestimmt: die Rahmen der Institution und der damit verbundene gesellschaftliche Auftrag, das Maß an Gestaltungsfreiheit und Entscheidungsautonomie, aber auch die Zwänge wirtschaftlicher, gemeindepolitischer oder arbeitsmarktbedingter Natur. Die Gruppe selbst, das Team, steht unter dem ständigen Druck wie eine Arbeitsgruppe zu funktionieren, und ist doch, aufgrund deren traumatischen Wirkungsbedingungen, stets verleitet Grundannahmen zu bilden. Ich stelle mir das Verhältnis zwischen Kompetenzfeld und Gruppe analog zu einem Segeltörn vor. Die See repräsentiert das Feld, die Ufer die Grenzen der eigenen Entfaltungsmöglichkeiten. Andere zusätzliche Kräfte im Feld können diese Entfaltung bestimmen: die veränderbaren Windverhältnisse, sowie die heimtückischen Wasserunterströmungen und die verborgenen Sandbänke und Felsen. Das Schiff (unsere Wohngruppe) kann nicht einfach auf Kurs bleiben ohne die Verhältnisse im Feld zu berücksichtigen. Der effizienteste Weg zwischen A und B verläuft meist nicht linear, sondern durch gut geplanten Kreuzungsmanöver bei welchen die Besatzung einstimmig als Ganzes funktioniert. Hier, im Aufbau der Gruppenkompetenz beim Navigieren im Wandel, wird die Rolle des gruppenanalytischen Supervisors einleuchtend. «Das Schiff schwankt, geht aber nicht unter» - so lautet seit 1358 der Wahlspruch im Stadtwappen von Paris, der nach den Ereignissen von November 2015 eine neue Bedeutung bekam. Die gruppenanalytische Fallberatung und Supervision maßt sich selbst nicht an, die Feldkompetenz für sich in Anspruch zu nehmen, sondern befähigt diese durch ihre spezifische Gruppenkompetenz  zur Weiterentwicklung. Vor allem werden psychosoziale Teams befähigt in ihrem spezifischen institutionellen Kontext selbstreflexiv zu handeln: Grenzen werden anerkannt, befestigt und akzeptiert, oder, wenn nötig und möglich aufgelöst, sowie die Differenzen zwischen Lösbarem und nicht Lösbarem, zwischen Inhärentem und Akzidentellem, zwischen dem individuellen Anspruch und der faktischen Teilhabe erkannt. Dadurch wird der Handlungsraum für die berufliche Kreativität offenbleiben und die Gefahr von traumatischen Erfahrungen im beruflichen Umfeld vermieden.