«Das Schiff schwankt, geht aber nicht unter»– ein Supervisionsmodell für Teams im psychosozialen Bereich (Teil I)

22.01.2019

Gekürzte Fassung eines Vortrags auf dem 11. Kongress der European Association for Mental Health in Intelectual Disability (EAMHID), Luxemburg, September 2017

Psychosoziale Teams, sei es in einer psychiatrischen Klinik, in einer Betreuungseinrichtung oder in der Arbeit mit geistig Beeinträchtigten bilden per se ein fragiles Gleichgewicht. Die berufliche Identifikation steht dem Bedürfnis nach inneren Kohärenz und Konsistenz gegenüber. Hilfeleistung für anderen ist eine zentrale Komponente des professionellen Selbstbildes. Psychosoziale Teams laufen konstant Gefahr unterschwellig traumatisiert zu werden und können selbst zum Aufbau eines traumatisierenden Kontextes beitragen.

Im Laufe meiner supervisorischen Praxis konnte ich vier Hauptthemen heraus filtern, die miteinander verwoben sind und sich deswegen weniger eignen sukzessiv, schemenhaft bearbeitet zu werden, aber dennoch Dimensionen beschreiben, welche essentiell das Innenleben der Arbeitseinheiten bestimmen. Diese sind:

  1. Macht und Ohnmacht,
  2. Innen und Aussen,
  3. Jetzt und Damals, sowie
  4. Feld und Gruppe.

Ich beginne mit der ersten Dimension. Die komplementäre Balance zwischen Allmachtphantasien und Ohnmachtsgefühle ist für psychosozialen Teams nahezu charakteristisch. Die Teams stehen in Resonanz mit den dazugehörigen Klienten, neigen dazu nach aussen ein defizitäres Bild vom sich selbst zu zeigen und die eigene Potenz zu verleugnen. Diese Verleugnung schützt vor frustrierenden Erlebnisse und aggressiven Gefühle im beruflichen Alltag. Doch beide, Allmacht und Ohnmacht sind lediglich die Seiten einer einzigen Münze und der Preis für den Erhalt der Teamkohärenz. Hinter einem «Wir werden es hinkriegen!» verbergen sich Versagensängste, genau wie hinter dem «Wir schaffen es nicht!» sich ein omnipotenter Selbstanspruch versteckt. Dieses Dilemma mit all ihren Verstrickungen zu benennen bleibt, meines Erachtens, die wirksamste Möglichkeit die Teams in der Arbeit mit anderen, durch sich selbst zu befähigen. Der gruppenanalytische Supervisor darf, meiner Meinung nach, nicht der Verführung als «Super-Container» zu fungieren nachgeben und damit eine Pseudo-Befähigung des Teams künstlich anspornen. Stattdessen bewegt er sich mit seinen Interventionen an den Grenzen des Möglichen entlang ohne eine Kränkung des Teams herbei zu führen, welche dann womöglich in die Ablehnung oder die Resignation mündet. Sein primäres Ziel bleibt in diesem Moment die «negative Fähigkeit» der Gruppe zu fördern, die Fähigkeit etwas auszuhalten, etwaigem Platz, Raum, Potenzial, Fähigkeit geben.